Seit der Neugründung des SV Concordia Nowawes 06 ist Alexander Kallenbach Vorsitzender unseres Vereins. Seine Brötchen verdient er mit seiner Hauskrankenpflegefirma. Über sein Privatleben ist nur bekannt, dass er Artikel für das Stadionheft des SV Babelsberg 03 schreibt, dass er dessen Fanclub "Stehplatz ermässigt" in einer Zeit mitgründete, als die Eintrittspreise im Karli noch mäßig waren und dass ihn seine Freunde aus unerfindlichen Gründen Lepetit nennen. Wir haben ihn gefragt, wie bei Concordia alles begann und wohin es noch führen soll.
Man hört ja einige Geschichten der Vereins(neu)gründung zum Jahresende 2006 in der Stadtteilkneipe Nowawes, aus der Du als 1.Vorsitzender hervorgegangen bist. Erzähl doch nochmal wie das war.
Der Präsident: Wir hatten damals die Idee, auch nach Erfahrungen bei anderen Vereinen, etwas grundsätzlich anderes zu schaffen und sind mit vielen neuen Ideen gestartet. Dazu fanden sich knapp zwei Hand voll Leute zusammen und gründeten am 19.12.2006 diesen Verein. Gerade noch rechtzeitig, um wieder als „06“ eingetragen werden zu können. Wir sehen uns natürlich auch in der „Tradition“ des 1906 gegründeten Arbeitersportvereins.
Es hält sich beharrlich das Gerücht, ich hätte die damals anwesenden Gründungsmitglieder mit einer nicht unerheblichen Menge an Süßigkeiten dazu gebracht, mich zu wählen. Ich weiß nicht, wer diese ungeheuerlichen Gerüchte in die Welt gebracht hat. Ich kann hier nur mit aller Deutlichkeit sagen, dass diese Behauptungen ganz klar und in allen ihren Details ... stimmen. Natürlich hatte ich alle sachlichen Argumente auf meiner Seite. Aber sicher ist ja bekanntlich sicher.
Seitdem bist Du durchgängig der 1. Vorsitzende des Vereins geblieben. Von solchen Amtszeiten träumen ja viele Diktatoren dieser Welt. Was ist dein Erfolgsgeheimnis?
Der Präsident: Ich habe diesen „Job“ nach außen hin immer als unglaublich anstrengend und zeitraubend dargestellt. Auch deshalb hat sich niemand gefunden, der sich aufgedrängt hätte. Ich denke, durch eine Mischung aus merkelscher Gelassenheit und pragmatischer Lösung der Anforderungen und Herausforderungen ist uns als Gruppe gelungen, diesen Verein zu dem zu machen, was er heute ist. Wir wollten von Anfang an keine Hierarchien haben und alles gemeinsam entscheiden. Ich denke, das ist uns sehr gut gelungen. Deshalb sehe ich diese Funktion mehr als Mittel zum Zweck. Letztlich sind die anfallenden Aufgaben auf viele Schultern verteilt.
Du hast in deinen Jahren bei Concordia schon einiges erlebt. Was waren deine Highlights?
Der Präsident: Neben der durchaus rasanten Entwicklung mit mittlerweile deutlich mehr als 350 Mitgliedern gab es durchaus auch Erfolge abseits vom sportlichen Bereich. Einer unserer größten Erfolge war sicher die Entwicklung der Nowawiese. Zunächst begann alles mit der Besetzung einer Wiese. Die von uns selbst liebevoll gebauten Tore wurden kurze Zeit später durch die Stadt wieder entfernt. In der Folge errichteten wir feste Tore, dabei kam dann auch reichlich Beton zum Einsatz. Das zahlte sich aus. Immerhin schaffte es dieses Projekt in den offiziellen Kinderstadtplan der Stadt. Das war schon eine schöne Geschichte. Auch unsere gemeinsamen Feste mit unseren Freunden der Datscha und wirksame Aktionen und Demonstrationen in der Stadt brachten Aufmerksamkeit und zeigten, dass wir über den Tellerrand eines Sportvereins hinausschauen wollen.
Gab es auch Sachen, die nicht so gut liefen?
Der Präsident: Da fällt mir wirklich nicht so viel ein. Natürlich gab es auch Probleme, die wir aber gemeinsam immer gut lösen konnten.
Nochmal zu Nowawiese, deren Prozess du ja schon kurz angesprochen hast. Da gab es damals auch einige Diskussionen mit der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten, welche der Nowawiese nicht gerade positiv begegnete. Mit einigen baulichen Besonderheiten - wie der unzureichenden Beleuchtung oder fehlenden Sanitäreinrichtungen - haben wir ja immer noch zu kämpfen. Kannst du nochmal den Weg dahin beschreiben?
Der Präsident: Es war ein langer Weg. Vor allem die Position der Stiftung war einfach nicht zu verstehen. Die Stiftung möchte ein Potsdam wie vor langer Zeit. Doch eine Stadt entwickelt sich nun einmal. Deshalb sollten Anlagen wie die Parks oder die entsprechenden Vorflächen einfach auch für gemeinschaftliche Nutzungen mitgedacht werden. Dadurch würde sicher auch das Verständnis für den Erhalt historischer Gebäude und Anlagen steigen. Am Beispiel der Nowawiese konnte das gut beobachtet werden. Die Stiftung begründete die Ablehnung immer mit den gestörten Sichtbeziehungen aus dem Park Babelsberg. Doch was sehen die Besucher:innen? Durch den Sportplatz wird die Aussicht auf die Schnellstraße und das Zentrum Ost getrübt. Ich hatte damals schon zugesichert, dass wir den Sportplatz zurückbauen, wenn dort anstelle der Bebauung wieder Wiesen zu bestaunen sind.
Concordia wurde ja damals von euch bewusst als Kinder- und Jugendverein gegründet. Vor einigen Jahren wurde dann auch ein Erwachsenenteam gegründet. Wie kam es dazu?
Der Präsident: Als die Kinder der ersten Stunde nach mehr als zehn Jahren plötzlich keine Kinder mehr waren und sich einfach keinen anderen Verein suchen wollten, standen wir vor der Entscheidung, den Weg gemeinsam weiter bestreiten zu „müssen“. Also beschlossen wir, es den noch Jugendlichen selbst als Aufgabe zu geben. Sie sollten sich organisieren und den Spielbetrieb im Erwachsenenbereich gestalten. Das hat sehr gut geklappt und es fanden sich auch viele Unterstützende. Mittlerweile haben wir sogar eine ansehnliche Fangemeinschaft, die das Team auf der Sandscholle und regelmäßig auch auswärts unterstützt.
Concordia ist seit der Vereinsgründung kontinuierlich gewachsen. Über die Jahre kamen immer weitere Teams hinzu. Wie geht das in einer Stadt, die eigentlich schon immer akuten Mangel an Sportflächen hat?
Der Präsident: Das ist ja ein grundlegendes Problem in Potsdam. Alle Vereine kämpfen mit dem Mangel an Sportstätten. Da es eine freiwillige Leistung der Kommune ist, wurde in den letzten Jahren kein einziger wettkampffähiger Platz neu gebaut. Der Bedarf ist aber eher größer geworden. Das konnten und können wir nur mit viel Kreativität und Kompromissen lösen. Ein weiteres Problem ist, dass an neuen Schulstandorten keine Wettkampf-Flächen entstehen, sondern nur die Minimalanforderungen für Schulsportflächen erfüllt werden. Da muss sich an den (Förder)Richtlinien einiges ändern. Vielleicht sollte man auch daran denken, Gewerbeobjekte in den Blick zu nehmen und Investoren zu verpflichten, auch Flächen für die Gemeinschaft zu ertüchtigen. Ich denke da zum Beispiel an Sportflächen auf Dächern. In Berlin gibt es so etwas bereits.
Manchmal begegnet man dir auch im Karl-Liebknecht-Stadion sogar außerhalb der Nordkurve. Du stehst im Fanshop hinter dem Tresen und schreibst seit Jahren Texte für das Stadionheft. Lastet Dich Concordia nicht voll aus?
Der Präsident: Nulldrei-Fan bin ich schon seit Ende der Neunziger, das war einfach schon vor meiner Concordia-Zeit. Das legt man natürlich nicht ab. Außerdem gibt es ohnehin eine große Schnittmenge zwischen beiden Vereinen, sowohl inhaltlich als auch personell. Viele Spieler unseres Erwachsenenteams stehen regelmäßig in der Nordkurve und viele Nulldreier:innen schauen sich Spiele von Concordia an. Es gibt sogar einige Menschen, die sich vom großen Bruder abgewandt haben und lieber Spiele auf der Sandscholle besuchen. Trotzdem bleibt Nulldrei für mich unterstützenswert und eine Herzensangelegenheit, auch wenn ich nicht immer einverstanden bin mit dem, was dort passiert.
Was hast du noch vor mit Concordia?
Der Präsident: Ich denke, wir haben schon echt viel erreicht. Gerade der Aspekt, dass wir im Verein den Erfolg nicht nur an sportlichen Ergebnissen messen, ist eine tolle Sache. In Zukunft wollen wir dafür sorgen, dass sich diese Ansicht vielleicht weiter verbreitet. Ob das in den bestehenden Strukturen wirklich möglich ist, weiß ich nicht. Die Vorstellung, sich von den aktuell notwendigen Vorgaben der Fußballverbände zu lösen und etwas komplett Neues zu machen, ist faszinierend. Ich kann mir gut vorstellen, dass sich auch andere Vereine finden lassen, die auf diese verkrusteten Organisationen einfach keinen Bock mehr haben. Das System (Kinder)Fußball neu zu denken, dafür ist unser Verein doch geradezu berufen.
Vielen Dank für das Interview.
Alle anderen Interviews der Reihe findet ihr hier: concordia-nowawes.de/kiosk/concordia-im-interview