Auf dieser Seite wollen wir über unseren Vorgängerverein informieren, dessen Geschichte eng mit der des Arbeitersports in Nowawes verbunden ist. Der Text stammt in abgewandelter Form aus dem Buch: „Arbeiterfußball in Berlin und Brandenburg 1910-1933“ von Christian Wolter, das im Februar 2015 erschienen ist und das wir gern weiterempfehlen.
Der Arbeiterfußball im Roten Nowawes
Wäre es nach dem Willen der arbeitenden Bevölkerung gegangen, so gehörte Babelsberg heute vielleicht zu Berlin und nicht zu Potsdam. Ein Glaspokal mit dem Einschliff „Konkordia Nowawes Berlin“ bezeugt diese Annahme. Das kostbare Gefäß, das einst wohl auch als Trinkpokal diente, stand bis 2010 in der Wohnzimmervitrine der Babelsberger Gastwirtsfamilie Robé. Erich Robé hatte beim ASV Concordia 06 Nowawes viele Jahre das Tor gehütet. Später betrieb er gemeinsam mit seiner Frau das damalige Sportlokal Gebauer, eine der vielen Gaststätten in der Arbeiterstadt Nowawes und von 1928 bis 1933 Treffpunkt von Rot-Sport. Heute ist in diesen Räumlichkeiten das Fanprojekt des SV Babelsberg 03 daheim. Als Frau Robé 2006 von der Neugründung des SV Concordia erfuhr, übergab sie den Pokal dem neuen Verein, der ihn dem Stadtteilmuseum Weberstube für dessen Dauerausstellung überließ.
Das einstige Nowawes entstand ab 1751 auf Geheiß von Preußenkönig Friedrich dem Großen als Kolonie für bömische Weber und Spinner. Die Lebensbedingungen waren ärmlich und blieben es auch, als ab Mitte des 19. Jahrhunderts die Industrialisierung das Manufakturwesen verdrängte. Die Arbeitsstätten verlagerten sich von den heimischen Webstühlen hin in die Textilfabriken, von denen es zur Jahrhundertwende schon elf gab. Dazu kamen ab 1900 die Lokomotivenfabrik Orenstein & Koppel, eine Eisengießerei, die Puma-Schuhfabrik und der Plattenproduzent Electrola. Nach Ansiedlung der Universum Film AG UFA 1917 entwickelte sich das einst böhmische Dorf zum wichtigsten Standort der deutschen Filmindustrie.
Trotz Wirtschaftswachstum litt das ortsansässige Proletariat weiter unter sozialen Missständen und war daher für die Ideen der Sozialdemokratie aufgeschlossen. Die Arbeiterschaft organisierte sich zusehends und griff häufig auf das Mittel der Streiks zurück. Als mittlerweile bedeutende Industriestadt stand Nowawes im deutlichen Kontrast zur preußischen Garnisons- und Residenzstadt Potsdam auf der anderen Seite der Havel.
Exkurs: Arbeitersport
Diese extreme gesellschaftliche Kluft in der Gesellschaft spiegelte sich auch im Sport wider. Für die meisten Menschen gilt es heute als selbstverständlich, dass Fußball die Sportart Nummer 1 in Deutschland ist und das der 1900 gegründete Deutsche Fußballbund (DFB) der einzige und alleine Fußballverband in Deutschland ist.
Tatsächlich war Langezeit in Deutschland das Turnen in Turnvereinen die populärste sportliche Beschäftigung. Daneben gab es eine Spaltung in bürgerliche Vereine und Arbeiter-Turnvereine die in separaten Turnverbänden organisiert waren. Der Fußball kam im ausgehenden 19.Jahrhundert nach Deutschland. Auf dem Tempelhofer Feld waren es Engländer, die zuerst diese in England bereits populäre Sportart praktizierten – zumeist argwöhnisch beäugt von der deutschen Bevölkerung. Es vergingen noch einige Jahre, bis sich der Fußball auch in Deutschland weiter ausbreitete. Kurz vor dem 1.Weltkrieg und vor allem nach dem Krieg setzte der Boom ein. Im organisierten Arbeitersport stand man dem Fußball skeptisch gegenüber. Das Verletzungsrisiko sei zu hoch und der sportliche Wettkampf fördere nicht gerade den Gedanken einer klassenlosen Gesellschaft. Doch um nicht gänzlich den Kontakt zu der Jugend zu verlieren, die das Fußballspiel natürlich deutlich spannender fand als das dröge Turnen, öffnete sich auch der Arbeitersport dem Fußball.
In und um Berlin wurde der Arbeiter-Fußballsport im Verband „Märkische Spielvereinigung (MSV)“ organisiert (vergleichbar mit den heutigen Fußballlandesverbänden), der zum „Arbeiter-Turn- und Sportbund (ATSB)“ gehörte. Parallel dazu gab es die bürgerliche Fußballwelt, mit dem Landesverband „Verband Brandenburgischer Ballspielvereine (VBB)“ und dem Dachverband „Deutscher Fußballbund (DFB)“. Der ATSB trug eigene Meisterschaften aus und hatte auch eine Auswahlmannschaft für internationale Vergleiche. In wenigen Jahren wuchs der ATSB zu einem Sportverband mit Millionen Mitgliedern an. Besonders stark war er natürlich in industriellen Zentren wie Berlin, Sachsen oder dem Ruhrgebiet.
Sport in Nowawes
Die ersten Sportvereine in Nowawes entstanden in den 1890er Jahren. Der MTV Vorwärts gehörte seit 1893 zum Arbeiter-Turnerbund. Ein Jahr später gründete sich mit der Freien Turnerschaft Nowawes-Drewitz ein weiterer ATB-Verein. Um die Jahrhundertwende fanden auch die ersten Fußballspiele in Nowawes statt, die auf dem Spiel- und Sportplatz des Naturheilvereins Nowawes ausgetragen wurden. Dieser Platz befand sich direkt neben den damals ebenerdigen Bahngleisen nach Berlin an der heutigen Karl-Liebknecht-Straße. Mit dem organsierten Fußballsport begann 1903 der bürgerliche Verein Jugendkraft Nowawes 03. Kurze Zeit später folgten FC Fortuna 05 und ein Jahr später mit dem proletarischeren FC Concordia 06.
In der Saison 1909/10 nahmen Concordia 06 und Fortuna 05 erstmals am Spielbetrieb des Verband Brandenburgischer Ballspielvereine (VBB) in der Staffel B der untersten Klasse u.a. mit Minerva Potsdam, Wacker Potsdam, Hertha Zehlendorf und Concordia Charlottenburg teil. Die Austragungsstätte der ersten Concordia-Spiele war die Rennbahn Sperlingslust, die sich an der heutigen Rudolf-Breitscheid-Straße/ Reuterstraße befand.
Die FT Nowawes-Drewitz beteiligte sich seit 1913 am Arbeiterfußball der Märkischen Spielvereinigung, wenn auch noch ohne nennenswerten Erfolg. In der 2.Klasse der MSV, Abteilung B wurde Nowawes als Sechster Tabellenletzter mit 4:20 Toren.
Allerdings wurde der Spielbetrieb infolge des Ersten Weltkrieges bald eingestellt, sodass lediglich sporadisch Spiele ausgetragen wurden. Die Stadt Nowawes erhielt zwar bereits Ende des 19.Jahrhunderts den Spitznamen „Rotes Nowawes“, doch in den letzten Jahren des Kaiserreichs steigerte sich die Politisierung eines Großteils der Bevölkerung. 1910 sprach Karl Liebknecht vor 2.000 Zuhörern im Singer‘schen Lokal zum Thema „Preußisch-Deutschlands politische Lage“. 1918, nach zahlreichen Streiks gegen den Krieg, schrieb der Potsdamer Polizeipräsident Friedrich von Zitzewitz an seinen Regierungspräsidenten Rudolf Graf von der Schulenburg: „Es ist wirklich nicht zu viel gesagt, wenn Nowawes mit seiner zur Unruhe und Kriminalität neigenden Industriebevölkerung geradezu als der kriminalpolizeiliche Wetterwinkel Potsdams bezeichnet wird“.
Am 9. November 1918 erreichte die Revolution Nowawes. Arbeiter besetzten das Rathaus und hissten die rote Fahne. Die Wahlresultate von 1919 belegten die damalige soziale Diskrepanz zu Potsdam: Bei der Wahl zur Deutschen Nationalversammlung am 19. Januar 1919 erhielten DVP und DNVP in Potsdam 41 Prozent, MSPD und USPD nur knapp 14. Ganz anders in Nowawes, hier kamen Mehrheits- und Unabhängige Sozialisten auf über 68 Prozent, DVP und DNVP nur auf 13. Ähnlich sah das Bild in den im Februar 1919 gewählten Gemeindevertretungen aus. In Potsdam erhielt die Einheitsliste aus Zentrum, DVP und DNVP zwei Drittel, die beiden Arbeiterparteien teilten sich den Rest der Stimmen. In Nowawes errangen SPD (10 Mandate) und USPD (14) dagegen 75 Prozent der Sitze. Während der Märzkämpfe 1919 und zu Zeiten des Kapp-Putsches streikten die Nowaweser zu Tausenden.
Der Fußball nach dem Ersten Weltkrieg
Nach Kriegsende 1919 richtete sich die örtliche Fußballvereinslandschaft neu aus. Fortuna und der SC Jugendkraft von 1903 vereinigten sich am 15. Februar zum SV Nowawes 03, den heutigen SV Babelsberg 03, und spielten ab der kommenden Saison in der zweithöchsten Spielklasse des VBB.
Concordia und die Freien Turner bildeten ab Mai 1919 die Freie Turn- und Sport-Vereinigung Nowawes von 1894, gewannen als solche 1920 Abteilung B der MSV-Frühjahrsserie und qualifizierten sich für die Kreisendrunde. Die Vorrunde gegen den Reinickendorfer BC 06 wurde beim Stand von 0:2 in der 86. Minute wegen Unwetter abgebrochen. Nowawes verzichtete auf eine Wiederholung, um die Terminplanung zur ersten Bundesmeisterschaft nicht zu gefährden. Der Sportgeist stimmte also, außerdem lobte die Zeitschrift Arbeiter-Sport die Mannschaft als die technisch beste der Saison. Die folgende Frühjahrsserie beendete N94 mit 20:2 Punkten wiederum als Staffelprimus, verlor aber wieder in der Kreisvorrunde, diesmal regulär mit 1:4 gegen Nordiska 13 in Berlin-Pankow.
In der Saison 1921/22 der Abteilung D konnte zwar nur der zweite Platz erzielt werden, doch Nowawes hatte mit 15 Gegentreffern immerhin die beste Abwehr. Im Endspiel um die Bezirksmeisterschaft 1922/23 des Spielbezirks Südwesten, wozu drei Staffeln des Berliner Südwesten und des südwestlichen Umlands zählten, spielte Nowawes am 4.März 1923 gegen den Mariendorfer SC 1913. Zur Halbzeit stand es noch 1-0 für die Mariendorfer, doch am Ende musste sich Nowawes dem übermächtigen Gegner mit 0-5 geschlagen geben. Abseits des Platzes ging es 1923 ebenfalls ordentlich zur Sache. Aufgrund der Inflationsmisere zogen die Nowaweser Frauen im Juli in den „Kartoffelkrieg“ und plünderten auf der Jagd nach Essbarem die Gemüsestände. Zur Beruhigung der Lage bildete der Vorstand der Landgemeinde Nowawes Preisprüfungskommissionen unter Beteiligung der Gewerkschaften.
Als am 12. September 1923 eine MSV-Auswahl gegen eine sowjetische Auswahl aus Moskau, Petrograd und Charkow antrat, befanden sich mit Mittelfeldmann Alfred Lüdemann und Zilias zwei Nowaweser Spieler im Kader. Vor weit über 10.000 Zuschauern wurde die Partie am Gesundbrunnen mit 1-9 verloren.
Im nächsten Jahr begannen umfangreiche Bauarbeiten am Park Babelsberg. Zwar befanden sich im Park schon seit längerem zwei Fußballplätze, doch nun wurde der Grundstein für den Sportplatz an der Priesterstraße gelegt, da die Platzsituation in Nowawes unbefriedigend war. Hierfür nutzten die Nowaweser Arbeiter, u.a. Artur Schumann (nach dem Krieg Zeugwart und Betreuer der Oberliga-Elf von Rotation Babelsberg), Alfred Kroop (siehe unten) und Max Graupmann (später Vorsitzender der 1894er Fußball-Abteilung), das Gelände einer alten Baumschule, die sich am Rande des Parks befand. Heute befindet sich an derselben Stelle das Babelsberger Karl-Liebknecht-Stadion. Die bürgerlichen Nulldreier spielten damals noch am Horstweg.
Die Popularität des Arbeiterfußballs spiegelte sich auch in den Zuschauerzahlen wieder. Der Arbeiter-Sport nennt in seiner Juli-Ausgabe von 1924 Nowawes als Beispiel, wo Arbeiterfußballer mehr Zuschauer anziehen, als die bürgerlichen Vereine.
In der Spielzeit 1923/24 wurde die FTSVgg Nowawes 94 erneut Zweiter hinter der FT Neukölln-Britz. In der Vorrunde um die Bezirksmeisterschaft im Februar 1924 konnte sich Nowawes im Lokalderby gegen SC Teltow 1913 durch ein 1-1 und eine 2-0 durchsetzen. In der Zwischenrunde konnte zunächst der Tempelhofer FC Viktoria 1911 bezwungen werden, doch infolge eines stattgegebenen Protestes stand nicht Nowawes, sondern Viktoria in Schöneberg im Endspiel.
Am 13. Dezember 1924 erhielt Nowawes mit 27.000 Einwohnern das Stadtrecht. In der folgenden Saison wurde Nowawes lediglich Dritter der Südweststaffel – die bis dato schlechteste Platzierung. Doch schon in der Saison 1925/26 fand die Mannschaft zu alter Stärke zurück und wurde hinter Luckenwalde Zweiter, obwohl sich mittlerweile zwölf Mannschaften am Spielbetrieb beteiligten.
Die Spaltung des Arbeitersports
Die Freie Turn- und Sport-Vereinigung von 1894 hatte sich mit mehreren Hundert Mitgliedern zu einem der größeren Vereine im 1. ATSB-Kreis entwickelt. Die Spaltung im Arbeitersport 1928 entzweite aber auch diese Gemeinschaft. Die FTSVgg Nowawes 94 blieb bundestreu, aber ein erheblicher Teil der Mitglieder und der größere Teil der Fußballsparte fühlten sich zur Opposition hingezogen und gründeten 1928 den ASV Concordia 06. Die 94er spielten in der neuen Spielvereinigung des 1. ATSB-Kreises, Concordia blieb der MSV treu. Analog dazu lief die Entwicklung in Potsdam ab. Auch hier blieb der Hauptverein im ATSB, die Opposition spaltete sich als ASV Vorwärts 20 ab.
Die aus dem ATSB ausgeschlossen Vereine organisierten sich nun unter dem Dachverband der Kampfgemeinschaft für rote Sporteinheit, dem so genannten Rotsport. Die Gaststätten beider Nowaweser Arbeitervereine lagen in der Karl-Gruhl Straße nur einen Steinwurf voneinander entfernt. Concordia traf sich bei Robé im heutigen Fanprojekt Babelsberg und Nowawes 94 im heutigen Sportrestaurant Hiemke, wo sich einst die Ortsgruppen der KPD (5. Februar 1919) und des Roten Frontkämpferbundes (1924) gegründet hatten.
Beide Vereine teilten sich die Plätze an der Priesterstraße und blieben den Farben Rot und Weiß treu. Von Concordias I. Herren ist überliefert, dass die Hosen rot und die Trikots weiß waren. Das Vereinsemblem zeigte ein großes C mit einer kleinen 06.
Fußballerisch überstand Concordia die Teilung besser. 1929 gelang der 2. Abteilungsplatz. Zur gleichen Zeit trainierte übrigens kein geringerer als der späteren Weltmeister Sepp Herberger den Lokalrivalen Nowawes 03. In der Saison 1929/30 gewann Concordia 06 mit schlanken 27:1 Punkten die Südwest-Abteilung A. Im zweiten Bezirksendspiel wurde die Freie Sportvereinigung Rudow vor 1.500 Zuschauern an der Priesterstraße mit 4:1 geschlagen. In der Kreisendrunde kassierte Concordia gegen den späteren MSV-Meister Minerva Borsigwalde mit 2:5 die einzige Saisonniederlage. Im zweiten Endrundespiel gelang im Stadion Neukölln immerhin ein 2:2 gegen Titelverteidiger Sparta Lichtenberg, obgleich damit die letzte Chance auf die Kreismeisterschaft vertan war.
Die Rote Fahne vom 18.Mai 1930 schrieb zum Zuschaueraufkommen: „In großen Scharen umsäumte die werktätige Bevölkerung das Neuköllner Stadion“. Zum entscheidenden Spiel im Stadion Lichtenberg kamen im Rahmen des Roten Sporttages 20.000 Zuschauer zusammen, um dem 3-1 Erfolg Spartas über Minerva beizuwohnen. In der darauffolgenden Spielzeit konnte Concordia Nowawes nicht mehr an den Erfolg anknüpfen und musste sich mit einem fünften Platz in der Abteilung A des Südwest-Bezirks zufrieden geben.
Die Kampfgemeinschaft für Rote Sporteinheit schickte 1930 eine Länderauswahl für eine Spiele-Tournee in die Sowjetunion. Im Aufgebot befanden sich mit dem Verteidiger Ranko und Stürmer Erwin Grasse zwei Spieler aus dem Kader von Concordia Nowawes.
In der Spielzeit 1931/32 wurde der ASV Concordia Nowawes Staffelsieger der Abteilung B. In der Meisterschaft des Südwestbezirks setzte sich Concordia gegen den Neuköllner BC 22 durch. Beim 1-0 Sieg in Nowawes wurde wieder eine viertstellige Zuschauerzahl verzeichnet. Allerdings musste Concordia im Finale um die Kreismeisterschaft wieder eine herbe Niederlage einstecken. Gegen den ASV Weißensee, der bereits im ersten Spiel den Pankower SC 08 mit 5-3 bezwingen konnte, gab es am 12.06.1932 eine bittere 1-8 (0-2) Niederlage vor 5.000 Zuschauern auf dem Tasmania-Neukölln-Platz an der Sonnenallee. Die Partie gegen Pankow musste nun nicht mehr ausgetragen werden, da der ASV Weißensee bereits als letzter MSV-Kreismeister feststand.
Die FTSVgg Nowawes 94 konnte in den Jahren nach der Spaltung keine großen Erfolge mehr verzeichnen und spielte mitunter sogar nur noch zweitklassig in der 1.Bezirksklasse (3.Bezirk/Westen) des ATSB.
Das Ende des Arbeitersports durch die Machtergreifung der Nazis
Die politische Situation hatte sich mittlerweile dramatisch zugespitzt. Auch in Nowawes kam es in den frühen 1930er Jahren zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Rotfrontkämpfern und SA. Die NSDAP gelangte hier erst 1933 ins Stadtparlament. Am 30. Januar 1933 zog eine Demonstration gegen die Ernennung Hitlers zum Reichskanzler nach Potsdam. Am 3. Februar marschierten SA, SS und Stahlhelm mit einem Fackelzug von Potsdam aus ins Rote Nowawes ein. Am hiesigen Rathaus stellten sich ihnen große Teile der Bevölkerung in den Weg, worauf die Nazis mit Waffengewalt diesen letzten antifaschistischen Massenprotest von Nowawes niederschlugen.
Ende Februar 1933 wird auch die Landesklasse der Märkischen Spielvereinigung abgebrochen. Zum Zeitpunkt des Abbruches belegte Concordia Nowawes den vierten Platz. Im März 1933 erfolgte das Verbot der Kampfgemeinschaft für rote Sporteinheit, sodass alle ihr angeschlossen Verein aufgelöst wurden. Sämtliche Spielgeräte und das Vereinsvermögen wurden beschlagnahmt – der ASV Concordia 06 Nowawes hörte offiziell auf zu existieren. Die Vereine im ATSB und damit auch die FTSVgg Nowawes 94 existierten noch einige Monate länger, wurden jedoch spätestens im Juni 1933 von den Nazis im Sinne ihrer Gleichschaltungspolitik verboten.
Die Mannschaft von Concordia blieb jedoch zunächst weiter bestehen und hatte nach Aussagen des ehemaligen Stürmers Heinz „Schupo“ Tietz (1919-2014) einige Spiele, die illegal im Park oder in Berlin ausgetragen wurden. Die Nowaweser Fußball-Legende Heinz „Schupo“ Tietz erhielt seinen Spitznamen, weil er am Friedrich-Kirch-Platz (heute Weber-Platz), wo das Ballspielen verboten war, als Jüngster die älteren Jugendlichen vor anrückender Schutzpolizei (Schupo) zu warnen hatte.
Für den 24. Mai 1933 wurde sogar ein Freundschaftsspiel zwischen der Concordia-Mannschaft und dem bürgerlichen Verein Nowawes 03 angesetzt, das 0-7 verloren ging. Bei Concordia fiel die allzu „weiche“ Spielweise auf, sodass die Vermutung nahe liegt, dass der Sieger bereits vor dem Spiel feststand. Einige Monate nach dem offiziellen Verbot versuchten die ehemaligen Concordia-Aktiven neue Vereinsstrukturen aufzubauen. Möglich wurde dies durch die Unterstützung des von den Nazis akzeptierten Vorsitzenden Willi Fischer. Unter dem Namen VfL Eintracht 06 konnte der Spielbetrieb in der untersten Liga wieder aufgenommen werden. Die Namensgebung „Eintracht“ steht im direkten Bezug zur Tradition von Concordia, da Concordia die Bezeichnung der altrömischen Göttin der Eintracht ist.
Bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieges konnte sich Eintracht 06 wieder einen klanghaften Namen erspielen und es kam zu einigen spannungsgeladenen Lokalderbys gegen Nowawes 03. Die Nazis verordneten 1938 die Zusammenlegung der Gemeinden Nowawes, Neuendorf (Dorf rund um den Neuendorfer Anger) und Neu-Babelsberg (Villenkolonie am Griebnitzsee) unter dem Namen Babelsberg, da der Name „Nowawes“ zu slawisch klang und die Geschichte des aufmüpfigen und proletarischen „Roten Nowawes“ ausgelöscht werden sollte. Ein Jahr später wurde Babelsberg infolge einer Gemeindegebietsreform ein Stadtteil von Groß-Potsdam. Am 3. April 1938 kam es zum Derby um den Preis der Stadt Babelsberg. Eintracht hatte kürzlich den Aufstieg in die Bezirksklasse geschafft und bezwang die gerade aus der Gauliga abgestiegenen Nulldreier mit 3:2 nach Verlängerung. „Die Sympathien der Stadt wenden sich in starkem Maße dieser Mannschaft zu“, schrieb anerkennend die Fussball-Woche am 20. Juni 1938.
In der Folgesaison kämpften Nulldrei und Eintracht in einer Staffel der zweithöchsten Spielklasse. Das Hinspiel am Horstweg hatte Babelsberg 03 mit 1:0 gewonnen. Concordia sann auf Revanche. Zum Rückspiel am 22. Januar 1939 kamen 4.000 Zuschauer. Nulldrei ging nach vier Minuten durch Unger in Führung. Doch Eintracht legt nach kurzer Zeit jeden Respekt ab, und durch Zuppan gelang nach Vorarbeit des gerade erst 19jährigen Heinz „Schupo“ Tietz der Ausgleich. Den Treffer zum 2:1 Sieg für Eintracht besorgte der ehemalige Nulldreier „Fritze“ Hoppe.
Die Gründung von Concordia Nowawes 2006
100 Jahre nach der Gründung von Concordia 06 fand in der Babelsberger Kneipe „Nowawes“ die Gründungsversammlung des Kinder- und Jugendfußballvereins SV Concordia Nowawes 06 statt. Schon wegen der Bevölkerungsentwicklung im Stadtteil Babelsberg kann Concordia nach der Neugründung natürlich kein Arbeitersportverein sein. Und erst recht beanspruchen wir nicht die Rechtsnachfolge unseres Vorgängervereins. Allerdings setzt sich Concordia Nowawes auch heute für benachteiligte Kinder und Jugendliche ein und steht jedem offen, der unsere Philosophie vom Fußball ohne Leistungsdruck und als Plattform für vielseitige soziale Interaktion teilt. In den letzten Jahren wächst der Verein stetig und zählt bereits über 200 Mitglieder. Das Hauptproblem sind die mangelnden Sportplatzkapazitäten in Potsdam. Seit nunmehr mehreren Jahren setzt sich Concordia Nowawes für den Bau eines Sportplatzes am Park Babelsberg ein und stößt dabei auf heftigen Widerstand bei der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten. Ein Konflikt mit einer langen Traditionslinie, wie ein Zeitungsbericht von 1957 belegt. Alfred Kopp. damals Mitarbeiter im Fachausschuss Fußball des Bezirks Potsdam, schrieb 1957 in der Märkischen Volksstimme:
„Wir spielten schon vor 27 Jahren im Park Babelsberg … 30 Mannschaften – aber wo spielen? Ich denke hier ebenfalls an den schon oft in der [Märkischen Volksstimme] diskutierten Vorschlag Park Babelsberg und möchte daran erinnern, dass schon früher einmal in diesem Park 2 Spielfelder zur Verfügung standen. Ich gehörte damals als Jugendlicher der Fußballabteilung der Freien Turn- und Sportvereinigung 1894 Nowawes an. Für diesen nach dem ersten Weltkrieg stark gewordenen Arbeitersportverein stand damals auch kein Platz zur Verfügung. Da wurde nicht erst lange diskutiert, ob im Park, der seinerzeit noch der sogenannten Krone gehörte, gespielt werden durfte. Da wurden eben 2 Spielplätze zurechtgemacht, und ich muss sagen, mit einem Untergrund, wie man ihn selten findet. Denn 4 Männer-, 2 Alt-Jugend- und 2 Jugendmannschaften und später auch noch Knabenmannschaften tummelten sich Sonntag für Sonntag auf diesen Plätzen. Manch alter Babelsberger Sportanhänger wird sich noch erinnern, dass gerade in diesem Park große Spiele des Arbeitersport, so gegen München, Bremerhaven, Adler 08 usw., ausgetragen wurden. Gibt es denn überhaupt etwas Schöneres, als mitten in einem Park Spiel und Sport ausüben zu können? Man sollte sich dieses an den berufenen Stellen im Interesse unserer Jugend überlegen, denn was von 1920 bis 1925 möglich war, müsste heute erst recht möglich sein.“ 1) Märkische Volksstimme vom 5. Februar 1957
Spielerliste des Arbeiterfußballs in Nowawes (unvollständig; Ergänzungen erwünscht)
Zur weiteren Erforschung sucht der SV Concordia Nowawes 06 Zeitzeugen und Zeitdokumente. Die Geschichte unserer Vorgängervereine und des Arbeiterfußballs in Nowawes sollen perspektivisch in einem eigenen Vereinsheim gewürdigt werden.
Kontakt: vereinsgeschichte@concordia-nowawes.de