Concordia Nowawes

Im Interview (Folge 23): Merten Hennig

Merten Hennig trainiert seit Saisonbeginn unsere 2008er gemeinsam mit Germar Wochatz. Mit viel Pathos und Kommunikation auf Augenhöhe hat er einen ordentlichen Anteil an der anhaltenden Erfolgsserie des Teams. Wir haben mit ihm über seine Vergangenheit als Steuermann im Ruderboot, die Vorbereitung auf Weltmeisterschaften, über die Liebe zur Atmosphäre in der Fußball-Kreisliga, über den Umgang mit Jugendlichen im Fußballteam, über Haltung und Antifaschismus, über die Ultras in der Sichtachse, über die Entwicklung der Ersten, über den Traum von einem Vereinsheim und natürlich ganz viel über Gemeinschaft, Liebe und das Concordia-Gefühl geplaudert.

Hallo Merten, seit wann interessierst Du Dich für Fußball? Hast Du selbst einmal gespielt?

Merten Hennig: Ich bin seit ich denken kann fußballbegeistert. Nach der Schule und auch sonst habe ich eigentlich immer Lust auf Fußball gehabt und oft gespielt. Ferner bin ich seit 2005 als Mitglied des amtierenden Meisters der Oberliga des Nordostdeutschen Fußballverbandes auch oft zu Spielen gefahren und hab meine Jugend in vielen Stadien verbracht.

Selbst habe ich noch nie mit einem Verein ein Fußballspiel selbst gespielt. Ich habe in jungen Jahren aktiv Leistungssport betrieben, jedoch keinen Fußball. Ich habe mich für 2-3 Monate mal bei den Potsdamer Kickers ausgetestet, da Freunde dort spielten. Das war lustigerweise im gleichen Alter, in dem meine Truppe jetzt steckt. Aufgrund von Unstimmigkeiten mit dem Trainer und der Art wie trainiert wurde, habe ich mich schnell dazu entschieden, dass ich da nicht mehr hingehe. Das entstand sicher auch aus einer aufkommenden Aversion gegen Leistungsdruck und der jugendlichen Interessens- verschiebung. Ich habe im Alter von 8/9-14/15 Jahren bei der Potsdamer Ruder- gesellschaft als Steuermann alles gewonnen, was es zu gewinnen gab. Habe jedoch bei Vorbereitungen auf größere Wettkämpfe wie Jugendweltmeisterschaften auch gemerkt, dass die Art und Weise und die Menge des Trainings nicht dem entspricht, was ich gern machen möchte.

Wie bist Du zu Concordia gekommen?

Merten Hennig: Concordia war mir schon länger bekannt, da ich mich auch sonst in Kreisen bewege, in denen es Schnittpunkte zum Verein gibt. Der Verein war mir immer schon sympathisch, da dort Werte vertreten werden, nach denen ich mein Leben gestalte. Daher war ich auch öfter bei Spielen der Erwachsenen. In einer Phase in der ich 11 Monate selbstständig gearbeitet habe und viel Zeit hatte, wurde mir genau dann die Möglichkeit eröffnet, dass ich bei Concordia einsteigen könnte. Vorangetrieben von Laura und Steffen, die ich mehr als lieb habe, wurde ich überzeugt, mich mal mit dem Vorstand zusammen- zusetzen und zu gucken, ob ich mir eine helfende Rolle vorstellen könnte. Nach einem Gespräch mit Lutz, Roman und Laura war schnell klar: Das passt.

Was reizt Dich an der Aufgabe, ein Jugendteam zu trainieren?

Merten Hennig: Um ehrlich zu sein, liebe ich Fußball und gerade Kreisligaatmosphäre einfach unglaublich doll. Ich mag keinen unnötigen Leistungsdruck und weiß, dass ich eine leitende Rolle einnehmen kann, ohne unangenehm zu sein. Ich habe das schon oft erwähnt und dabei bleibe ich auch: Gerade diese Jugendlichen zu trainieren, ist wie sich selbst auf die Schulter klopfen. Ich bekomme regelmäßig sehr liebes Feedback und viele Jungs freuen sich, mich zu sehen. Außerdem sehe ich Entwicklung mit Ergebnissen und hab persönlichen Kontakt zu coolen Jungs, welche auch mich supporten. Und dazu gibt es ein Vereinsumfeld, was mich unterstützt und zur Not auch auffängt. Ich finde, das klingt doch nach ner guten Beschäftigung oder?

Kabinenansprache

Gibt es etwas, was Dir im Umgang mit Jugendlichen besonders wichtig ist?

Merten Hennig: Ich bin Antifaschist durch und durch. Respekt untereinander, gewaltarme Sprache, Inklusion, Integration und ne stabile Haltung gegen Nazis sind mir überaus wichtig. Wenn im Training mal ein Wort fällt, das mir nicht passt, ist das der einzige Moment, wo es mal lauter werden kann. Ich bin zu Concordia gekommen, um meinen Jugendlichen einen Menschen als Trainer zu geben, den ich früher gern als Trainer gehabt hätte. Daher ist mir eigentlich nur wichtig, dass die Jungs sehen, wieso ich Dinge tue und ihnen zu zeigen, dass das mit mir ein richtig cooler Weg sein kann, der viel Liebe und Gemeinschaft erzeugen kann. Und falls da auch ein kleiner Antifaschist rauskommt, bin ich noch glücklicher. Daher gibt es bei uns im Team regelmäßige Gesprächsrunden und ich habe immer Zeit und Lust, mich mit den Jungs auszutauschen.

Was wusstest Du über unsere 2008er, bevor Du das Team als Trainer übernommen hast?

Merten Hennig: Eine sehr gute Freundin von mir arbeitet im Fanladen vom falschen Babelsberger Verein und daher hatte ich einen kleinen Einblick, da ein paar der Jungs auch dort abhängen. So war mir gerade Leo bekannt, da er bei der Nowawes Jugend dabei war. Ansonsten hatte ich überhaupt keine Ahnung, auf was ich mich da einlasse. Ich wurde einfach mal zu einem „Probetraining“ eingeladen und hab mit Robert und Germar ein wenig Tuchfühlung betrieben. Die beiden sind ganz tolle Menschen und das Team wirkte auch sehr umgänglich. Die anderen Infos, die ich hatte, waren, dass sie jedes Spiel der Saison verloren hatten und trotzdem oft 20 Jugendliche auf dem Trainingsplatz waren. Das hat mich überzeugt, genau bei diesem Team meine Rolle als Kommunikator, Motivator und Trainer gut ausfüllen zu können.

Wie siehst Du die Entwicklung des Teams sportlich und sozial? Wo hat sich das Team verbessert? Wo ist noch Luft nach oben?

Merten Hennig: Mir fällt es ehrlich super schwer zu sehen, wo sich die Jungs verbessern. Da ich sie bis zu 3-mal die Woche sehe, ist das ein schleichender Prozess der sich mir nicht so deutlich aufzeigt. Mir wurde jedoch schon gespiegelt, dass die Kommunikation sich verbessert hat. Spielerisch haben die Jungs auch vor mir schon ordentlich was gekonnt. Wir haben jedoch in dieser kurzen Zeit eine noch stärkere Gemeinschaft geschaffen, die als eine Einheit aufs Feld geht und füreinander kämpft bis sie nicht mehr können. Dadurch schaffen wir es auch, Rückschläge wegzustecken. Wir haben es geschafft, an das zu glauben, was wir können. Und dadurch trauen wir uns mehr zu. Durch dieses Selbstvertrauen probieren die Jungs sich aus und schaffen es, Dinge zu tun, die vorher vielleicht sogar unmöglich erschienen. Ich versuche, meine einfachen kleinen Ideen einzubringen und hoffe, dass die Jungs sich noch in ein paar Jahren an Merten und seine Dreiecke erinnern. Und Luft nach oben gibt es nicht. Solange wir Spaß am Spiel haben und die Jungs gern mit mir trainieren, sind wir ganz oben angekommen.

An welches Spiel Deines Teams oder welchen Moment mit dem Team wirst Du Dich wahrscheinlich in 20 Jahren noch erinnern?

Merten Hennig: Puh, dass ist ne schwere und auch gute Frage. Jedes Spiel, das ich bis jetzt betreut habe, hat eine Geschichte, die sich bei mir eingebrannt hat. Die Jungs haben mir mehrfach Momente geschenkt, an die ich mich gerne erinnere. Sei es mein erstes Spiel als Trainer, bei dem ich ein Team betreute, was alle Spiele der Vorsaison verloren hat. Vor diesem Spiel versprach mir Mattis ein Tor und lieferte prompt das 1:0 und dann wurde der RSV Eintracht auch noch mit 7:0 auf seinem heimischen Platz abgefertigt. Oder eine wie immer leidenschaftliche Ansprache von mir in der Pause des Derbys gegen Babelsberg 74. In dieser erwähnte ich, dass wir nach der Pause direkt Druck machen müssen und mit einem Tor 74 definitiv den Zahn ziehen können. Die Jungs sind da mit vollem Einsatz rein gegangen und haben 2 Minuten nach dem Wiederanpfiff direkt das 3:0 geschossen. In diesem Moment dreht sich Eddi, einer meiner Spieler, zu mir um ballt eine Faust und ruft: „Jetzt haben wir den Zahn gezogen“. Solche Momente sind es, die dich absolut mitreißen und Erinnerung fürs Leben schaffen. Weitere Momente die mir auch heute noch Tränen in die Augen treiben, sind mein Geburtstagsgeschenk zum 30. Die Mannschaft hat mir ein Trikot mit der Nummer 30 und ihren Unterschriften geschenkt, welches ich sehr sehr gern trage. Aber ich habe Angst, es zu oft zu waschen, da gehen ja sonst die Namen ab. Weiterhin bin ich stolz, dass alle Spieler untereinander zusammenhalten, beispielhaft dafür ist der Gruß der Mannschaft an den verletzten Bennit.

Gruß des Teams an den Mitspieler

Bei den Heimspielen unseres Erwachsenenteams sieht man Dich häufig im Fanblock. Was sollte den Support bei Concordia von dem auf anderen Sportplätzen unterscheiden?

Merten Hennig: Haltung. Was bei anderen Vereinen vielleicht gepredigt wird, sollten wir aktiv umsetzen. Wir können durch unsere Haltung einen Raum schaffen, in dem sich alle Menschen wohlfühlen. Wir sollten die Möglichkeit der aktiven Teilnahme bieten und auch die Möglichkeit, coole Dinge zu erleben. Im Fanblock bei Cordi zu stehen, heißt für mich auch, eine enorme Freiheit im Leben. Keine Verurteilung, Freunde, Fußball und einfach Spaß haben. Wenn wir das auch an unsere Spieler:innen, deren Freund:innen und die sonstigen Fans weitergeben können, sehe ich eine großartige Zukunft für den Support-Block der Ultras in der Sichtachse.

Wenn die C1 spielfrei hat, zieht Merten auch mal das Ordnerleibchen bei der Ersten über.

Wie beurteilst Du die sportliche Entwicklung unserer Erwachsenen in den letzten Jahren?
Ist der Aufstieg in dieser Saison schon drin?

Merten Hennig: Die Entwicklung ist bemerkenswert. Da rückt für mich der Aufstieg eher in den Hintergrund. Die Erwachsenen haben einen riesigen Kader mit richtig tollen Menschen. Sogar wenn tragende Spieler ausfallen oder mal ins Ausland gehen, hat das Team weiterhin guten Fußball gezeigt und Leidenschaft, die dafür gesorgt hat, dass sie verdient da stehen, wo sie stehen. Wenn es dieses Jahr nicht klappt, dann bin ich mir sicher, dass es zukünftig nur bergauf geht.

Kann ein Verein wie Concordia die Fußballwelt ein bisschen besser machen?

Merten Hennig: Als Gallionsfigur des Fußballs ohne Leistungsdruck und mit antifaschistischer Einstellung in unserer Gegend haben wir es oft mit Anfeindungen zu tun. Diese Anfeindungen zeigen, wie wichtig unsere Arbeit ist. Selbst wenn das nur eine Utopie ist, so werden wir es vielleicht schaffen durch Interventionen und stabile Haltung nachhaltig den Jugendfußball zu prägen. Wenn auch nur ein Kind weniger angeschrien wird und wir die Möglichkeit bieten, dass alle Menschen bei uns spielen dürfen, so werden wir die Fußballwelt positiv beeinflussen. Und wenn ich mir ein paar Erwachsene angucke, die schon ewig bei Cordi sind, so muss ich sagen, dass wir das definitiv schaffen!

Ultras in der Sichtachse

Welche Wünsche hast Du für die weitere Entwicklung unseres Vereins?

Merten Hennig: Ich bin eigentlich schon ganz zufrieden, was wir so wuppen. Auch hier scheint jedoch ein utopischer Ansatz nicht verkehrt. Ein eigener Platz, mit eigenem Vereinsheim und der Möglichkeit, dadurch noch mehr Menschen von unserem Konzept zu überzeugen, würde mich überaus glücklich machen.

Was machst Du eigentlich, wenn Du nicht auf dem Fußballplatz stehst?

Merten Hennig: Noch studiere ich. Ich arbeite und bin auch neben Cordi viel ehrenamtlich unterwegs. Ich studiere Jura als Bachelor, mehr gibts dazu aber auch nicht zu sagen. Wer sich in linken Räumen in Potsdam bewegt, hat mich am Wochenende sicher schon mal an der Tür, hinterm Tresen, als Veranstalter oder auf sonstigen Veranstaltungen gesehen. Meine Liebe gehört da vor allem der Datscha und meinem Lieblingskeller im westlichen Teil der Stadt. Dienstag und Donnerstag findet ihr mich oftmals dort.

Selbstgemaltes für die Lieblingskneipe

Welche Pläne hast Du für die nächsten Jahre – ganz persönlich, beruflich und mit Concordia?

Merten Hennig: Das kann ich beruflich nicht beantworten, da schauen wir einfach mal was die Zeit so bringt. Persönlich möchte ich gern aktuell bleiben. Kein Festhalten an bestehenden Standpunkten, sondern immer wieder reflektieren und hinterfragen. Ungemütlich für Faschos bleiben und weiterhin fürs gute Leben kämpfen. Concordia wird da hoffentlich weiterhin ein Teil davon sein und von meinem Enthusiasmus profitieren und diesen auch weiterhin mit Schulterklopfen fördern. Wenn ich dann irgendwann vielleicht einen meiner Jungs in der Erwachsenenmannschaft sehe, werde ich bei jedem Spiel ganz stolz erwähnen, dass ich den mal trainiert habe.

Wir danken Dir für dieses herzerwärmende Interview und wünschen uns, dass Du uns genau so noch lange erhalten bleibst.


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