Concordia Nowawes

Im Interview (Folge 22): Ingmar Zalewski

Ingmar Zalewski wurde 2017 bei Antirassistischen Stadionfest als Concordia-Trainer entdeckt und verpflichtet. Seitdem trainierte er die Jahrgänge 2008 und 2006. Außerhalb des Fußballplatzes gibt er Seminare an der Uni und promoviert zu Flucht- und Migrationsforschung. Wir haben mit ihm über die Angst vor seinem ersten Jugendtrainer, über den Leistungsdruck in der Landesauswahl Schleswig-Holstein, über den Reiz, mit Jugendlichen auf dem Trainingsplatz zu stehen, über die herausfordernde Coronazeit, über die Entwicklung der 2006er, über Demonstrationen für menschengerechtes Wohnen und bessere Klimapolitik, über seine Pläne mit und ohne Concordia und natürlich über das historische Pokalfinale der B-Junioren gegen den Werderaner FC gesprochen.

Hallo Ingmar, seit wann interessierst Du Dich für Fußball? Hast Du selbst einmal gespielt?

Ingmar Zalewski: Das reicht recht weit zurück, ich müsste 6 Jahre alt gewesen sein, als ich angefangen habe Vereinsfußball zu spielen. Wobei ich anfangs auch mal mit dem Ball auf das falsche Tor gelaufen bin. Gerade meine erste Saison beim Osterbyer SV war eigentlich gar nicht schön. Ich erinnere mich an einen Trainer, der so viel geschrien hat, dass ich sogar ein bisschen Angst vor dem hatte. Ich bin dann gleich nach der Saison in den Nachbarverein Wittenseer SV gewechselt. Dort ging es dann fußballerisch mit mir bergauf und ich fand viele neue Freunde. In der D-Jugend wurde ich Kapitän und noch ein wenig später fand ich mich im Trainingslager der Landesauswahl Schleswig-Holstein in Bad Malente wieder. Daran kann ich mich noch gut erinnern. 2-3 Trainingseinheiten pro Tag unter einem hohen Leistungsdruck und unter der Beobachtung mehrerer Trainer waren mir aber viel zu viel. Das nahm mir irgendwie die Freude und Leichtigkeit am Spiel. Nachdem ich mit dem Vereinsfußball aufgehört hatte, habe ich weiterhin viel in der Freizeit gespielt – bis zum heutigen Tag eigentlich.

Wie bist Du zu Concordia gekommen?

Ingmar Zalewski: Das wurde von der Scouting Abteilung unseres Vereins in Form von Lutz eingefädelt. Ich spielte 2017 mit dem Team der „Westkurve“ beim „Ball ist bunt“. Lutz kannte ich aus politischen Zusammenhängen der Stadt. Germar, einer meiner Mitspieler aus der Westkurve, trainierte damals die 2008er bei Concordia und war auf der Suche nach Unterstützung an der Seitenlinie. Lutz hat dann wohl 1 und 1 zusammengezählt und vorgeschlagen, dass wir uns mal unterhalten sollten. Nur wenige Wochen später bin ich bei den 2008ern eingestiegen.

Was reizt Dich an der Aufgabe, ein Jugendteam zu trainieren?

Ingmar Zalewski: Zunächst einmal mag ich die Situation mit Jugendlichen zusammen auf dem Trainingsplatz zu stehen. Davon gehe ich eigentlich immer als Grundlage aus. Die Punktspiele sind dann nochmal eine weitere Sache. Aber bleiben wir mal beim Trainingsplatz, dann genieße ich es einfach meine Ideen vom Fußball so anschaulich wie möglich zu vermitteln, am liebsten kleinere und auch anspruchsvollere gruppentaktische Sachen, was ich ja mit einer B-Jugend alles sehr gut machen kann und auf fruchtbaren Boden fällt. Am liebsten nutze ich dafür intensive Spielformen - solche, auf die ich als Spieler auch Bock gehabt hätte. Wenn die Einheit dann intensiv war und die Spieler mir nachher rückmelden, dass sie richtig was mitgenommen haben, ist bereits sehr viel von dem, was für mich den Reiz ausmacht, erfüllt.

Gibt es etwas, was Dir im Umgang mit Jugendlichen besonders wichtig ist?

Ingmar Zalewski: Ich möchte zunächst immer, dass wir eine gute gemeinsame Zeit haben und es allen Spaß und Freude bringt, auf dem Fußballplatz zusammen zu kommen. Mir persönlich ist es wichtig, als Trainer nahbar zu sein und mit den Jugendlichen viel und transparent zu kommunizieren. Wie gesagt, ich hatte damals einen Trainer, der einen extrem rauen Umgang mit uns gepflegt hat. Das hat mich ganz schön verstört. Schon aus diesem Grund ist mir ein respektvoller Ton auf dem Platz total wichtig. Zwischen Trainerteam und Spielern, sowie unter den Spielern. Mir ist es ebenso wichtig, die Jugendlichen dazu zu ermuntern, Verantwortung für sich selbst zu übernehmen und für andere – auf und neben dem Platz.

Für die 2006er war die Coronazeit ziemlich schwierig. Wie hast Du die Zeit erlebt? Wie haben die Einschränkungen sich auf die soziale Struktur im Team ausgewirkt?

Ingmar Zalewski: Das stimmt, die Coronazeit war ja eine Zeit voller Umbrüche und Unwägbarkeiten für alle und gerade für ein Jugendteam von 14-16Jährigen. Ich habe das Team im Sommer 2020 übernommen, da dachte man noch, Corona sei wahrscheinlich schon bald wieder vorbei. Die Anfangszeit habe ich dann als sehr euphorisch in Erinnerung. Im Herbst wurde dann der Spielbetrieb unterbrochen und wir sind auf kontaktloses Training in Kleingruppen umgestiegen, sobald es das Hygienekonzept zuließ. Ich erinnere mich auch noch an eine Handvoll gemeinsamer Fitnesseinheiten mit den Jugendlichen online. Dann kam der Wechsel in die B-Jugend und vor allem die Herausforderung, sich als junger Jahrgang auf eine ganz andere Körperlichkeit der Gegner einzustellen. Dann wieder die Unterbrechung des Spielbetriebs. Zusammen mit meinem Trainerkollegen Norman haben wir zu der Zeit viele Einzel- und Gruppengespräche mit den Jugendlichen geführt, einen Mannschaftsrat eingerichtet und zudem die alten Kommunikationsstrukturen, in denen die Eltern noch stark eingebunden waren, auf die Jugendlichen selbst umgestellt. Das waren alles sehr wichtige Prozesse und Umstellungen. Es ging viel darum, die Unwägbarkeiten jetzt gemeinsam auszuhalten und auch mit Frustration umgehen zu lernen. Letztlich hat es dazu geführt, dass eine richtige Achse auch neben dem Platz gewachsen ist, die gemeinsam durch diese herausfordernde Zeit gegangen ist. Für sie freuen mich jüngste sportliche Erfolge wie das Erreichen des Pokalfinales ganz besonders.

Wie siehst Du die Entwicklung der 2006er - sportlich und sozial? Wo hat sich das Team verbessert? Wo ist noch Luft nach oben?

Ingmar Zalewski: Die soziale Entwicklung stimmt mich, wie gesagt, aktuell positiv. So eine schwierige Zeit gemeinsam durchzustehen, schweißt auch zusammen. Sportlich war es eine wichtige Weichenstellung zur neuen Saison einen stabilen Trainingsbetrieb durch die Zusammenlegung mit der B2 als eine gemeinsame Trainingsgruppe zu erreichen. Dazu haben wir uns vor der Saison im Verein ausgiebig zusammen gesetzt und ich denke eine wirklich gute Lösung gefunden! Von der Erweiterung des Trainerteams um Roman profitiert das Team ebenso stark.

Den größten sportlichen Sprung sehe ich bei der B1 bei Themen, an denen das Team in vielen Trainingseinheiten hart gearbeitet hat. Allen voran die Chancenverwertung, dazu gehört insbesondere das konsequente Nachrücken und Besetzen des Strafraums. Ein weiterer Entwicklungssprung ist das kompakte Verteidigen. Hier hat es so richtig im Laufe dieser Saison Klick gemacht. Das Team hat es hinbekommen, die Mitte zu schließen und bietet nun meist eine kollektive Verteidigungsleistung an, mit der wir für unsere Gegner viel schwerer zu knacken sind als früher. Hinzu kommt die bessere Verbindung einzelner Mannschaftsteile. Hier profitiert das Team von der Festlegung auf ein 4-3-3 System zum Anfang der Saison, das Ein- und Festspielen der Spieler auf Positionen. Ich habe das Gefühl, alle Spieler wissen genau, was auf ihrer Position von ihnen verlangt wird. Viele haben mittlerweile ihre Lieblingsposition gefunden, nachdem es in den Jahren zuvor auch wichtig war, erstmal möglichst viele Positionen kennenzulernen und auszuprobieren, was zu einem passt.

Bei den spielerischen Lösungen mit Ball gibt es immer Luft nach oben. Wir haben den Anspruch, mehr anzubieten als den berüchtigten „langen Hafer“. Daran arbeiten wir weiterhin sehr viel. Auch im Umschaltspiel (offensiv wie defensiv) und im Angriffspressing sehe ich bei uns noch Steigerungspotenzial.

Die B I ist gerade durch ein fulminantes 2:0 gegen die SG Michendorf ins Pokalfinale eingezogen. Die Euphorie war mit Händen zu greifen. Wir haben gleich mehrere Fragen erhalten, ob man die Fotos vom Spiel herunterladen darf, wann und wo das Finale stattfindet und ob wir einen Sonderbus chartern. Wie hast du den Tag erlebt? Und was ist nun drin gegen den Werderaner FC?

Ingmar Zalewski: Das war schon etwas ganz Besonderes! Die Anspannung bei Spielern und auch im Trainerteam war vorher schon eine andere als im normalen Ligabetrieb. Wir wollten aber unbedingt vor unseren eigenen Fans ins Finale einziehen und wussten, dass wir die SG Michendorf auch bereits in der Vergangenheit geschlagen hatten. Es war eigentlich alles für uns angerichtet. Mit dem entsprechenden Selbstvertrauen sind wir dann auch ins Spiel gegangen. Nach dem 0-0 zur Pause haben wir uns dann sehr viel für die zweite Halbzeit vorgenommen, als dann auch die Fans richtig lautstark am Start waren, hat sich das Spiel verdientermaßen zu unseren Gunsten gedreht! Und mit dem Schlusspfiff brachen dann kurzzeitig mal alle Dämme!

Bezüglich des Finales ist zu vernehmen, dass die Buchmacher:innen den Werderaner FC in einer leichten Favoritenrollen sehen. Das soll und kann uns ganz recht sein, wir bleiben nämlich ganz allein bei uns und wissen was wir können. Wenn wir an dem Tag unseren Fußball auf den Platz bringen, unsere famosen Fans und die Unterstützung des ganzen Vereins spüren - wie gegen Michendorf - dann ist alles möglich. Am Ende wollen wir den Pokal in den Händen halten!

An welches Spiel oder welchen Moment bei Concordia wirst Du Dich wahrscheinlich in 20 Jahren noch erinnern?

Ingmar Zalewski: Der Finaleinzug war sicherlich genau so ein Moment. Aber auch vieles anderes werde ich so schnell nicht vergessen. Als wir zum Beispiel mit den 2008ern gerade eine längere ergebnistechnische Talsohle durchschritten und zudem der Wechsel unseres damaligen Toptorjägers Calli zum großen Nachbarn im Kiez anstand, gab es ein Hallenturnier, bei dem er zum letzten Mal für unsere Farben auflief. Wir gewannen das Hallenturnier ziemlich überraschend und er wurde zum besten Spieler des Turniers gewählt. Das war zum einen traurig aber auch irgendwie sehr schön für alle.

Mein erstes Spiel als neuer Trainer der 2006er war für mich auch etwas ganz besonderes. Wir spielten auf der Sandscholle gegen ein älteres und uns körperlich überlegenes Team aus Elstal, hielten gut mit und erzielten kurz vor Schluss den vielumjubelten Ausgleichstreffer zum 1-1 Endstand.

Wie beurteilst Du die sportliche Entwicklung unserer Erwachsenen in den letzten Jahren? Ist der Aufstieg in dieser Saison schon drin?

Ingmar Zalewski: Ich muss gestehen, dass es Leute gibt, die hier wahrscheinlich viel näher dran sind als ich und das auch besser einschätzen können. Wenn ich Spiele sehe, bin ich aber fast immer sehr angetan davon, was auf dem Platz geboten wird. Und grundsätzlich habe ich vollstes Vertrauen, dass ein Team um Kapitän Balti selbstverständlich in dieser Saison schon aufsteigen kann und wird! Ich verfolge ansonsten vor allem unsere Jugendteams.

Seitdem ich nicht mehr bei den 2008ern bin, bin ich Fan. Ich freue mich ungemein über deren aktuelle Entwicklung! Gerade weil ich weiß, dass das Team auch andere Zeiten kennt, wo es von den Ergebnissen her auch mal nicht so lief und dass das der Fußballbegeisterung aber niemals einen Abbruch getan hat. Die sind ja auch im Trainerteam super aufgestellt, also die werden sicherlich auch in Zukunft noch für ordentlich Furore sorgen!

Auch die 2007er spielen eine ganz starke Rückserie bisher und begeistern mich mit ihrem Kombinationsspiel. Über den eigenen Nachwuchs muss sich das Erwachsenenteam über Jahre hinweg nicht sorgen, habe ich den Eindruck.

Kann ein Verein wie Concordia die Fußballwelt ein bisschen besser machen?

Ingmar Zalewski: Rhetorische Frage oder? Ich denke, das macht Concordia bereits seit einiger Zeit und dafür ist der Verein damals ja auch angetreten – Fußball mit Haltung eben! Ich persönlich kann mir mein Engagement nur hier vorstellen und in keinem anderen Verein. Ich hätte mir so einen Verein für mich selbst als Spieler früher sehr gewünscht. Man merkt einfach, dass die Fußballbegeisterung hier im Vordergrund steht. Themen wie gesellschaftliche Teilhabe und Inklusion im Kinder- und Jugendbereich werden bei Concordia richtig gelebt und nicht nur so vor sich hergetragen. Ich erlebe es so, dass alle in der Concordiafamilie da an einem Strang ziehen und ähnlich ticken. Ich finde es sehr wichtig, dass unser Verein widerständig und unbequem bleibt, auf Missstände aufmerksam macht und auch Auseinandersetzungen im Zweifelsfall bis zum Sportgericht nicht scheut.

Welche Wünsche hast Du für die weitere Entwicklung unseres Vereins?

Ingmar Zalewski: Ich wünsche mir für die Zukunft unseres Vereins, dass er weiter so gut wächst und gedeiht wie aktuell. Ein besonderer Wunsch ist, dass wir kontinuierlich neue Übungsleiter:innen für unseren Verein gewinnen können, die charakterlich zu uns passen, um alles auf möglichst viele Schultern verteilen zu können. Vielleicht wird unser Verein auch noch attraktiver für nicht cis-männliche Personen im Trainer:innenamt und in anderen Funktionen. Das fände ich langfristig gesehen sehr schön. Und ansonsten niemals die Haltung verlieren und so stabil bleiben wie seit eh und je, aber da mach ich mir auch überhaupt keine Sorgen.

Was machst Du eigentlich, wenn Du nicht auf dem Fußballplatz stehst?

Ingmar Zalewski: Ich schreibe an einer Promotion im Bereich der Flucht- und Migrationsforschung und gebe Seminare an der Uni. Was Kultur und Politik angeht, bin ich recht vielseitig jenseits des Fußballplatzes interessiert. Mir ist es wichtig, dass man mich auch weiterhin auf Potsdamers Straßen antreffen kann, wenn es um Themen wie verfehlte Klimapolitik, wiederaufgebaute Kirchen und menschengerechtes Wohnen geht. Wenn der Fußball mal ein paar Tage Pause hat, ist das auch mal völlig okay für mich, umso mehr freue ich mich dann, wenn ich wieder auf dem Platz stehe!

Welche Pläne hast Du für die nächsten Jahre – ganz persönlich, beruflich und mit Concordia?

Ingmar Zalewski: Beruflich möchte ich gerade meine Promotion abschließen, um mich danach neuen Aufgaben widmen zu können. Wohin es mich genau führt, das weiß ich noch nicht, in jedem Fall kommt etwas Neues auf mich zu und darauf freue ich mich schon! Mit Concordia denke ich zwar nicht ausschließlich von Spiel zu Spiel, aber in meiner aktuellen Situation doch von Saison zu Saison. Wir haben noch viele Aufgaben in den nächsten Monaten mit der B1 vor uns – auch aber nicht nur das Pokalfinale! Es bleibt eigentlich auf so ziemlich allen Ebenen spannend, was kommt, aber Stillstand war auch noch nie wirklich meins.

Wir bedanken uns für das Interview und sehen uns - spätestens am 9.7. im Bus zum Pokalfinale.


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